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Das Lied von der goldenen Mitte

Nachdem ich die vergangenen Wochenenden mal wieder auf den Autobahnen zwischen Paderborn, Hamburg und Magdeburg verbracht habe, möchte ich auf einen verbreiteten Aberglauben der mobilisierten Bevölkerung Hinweisen:
Man muss auf einer Autobahn mit drei oder mehr Fahrstreifen je Richtung NICHT zwangsläufig rechts fahren!
Ich weiß, dass der Stammtisch jetzt im Chor § 2 Absatz 2 StVO, „Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit.“, anstimmt, aber auch der weniger bekannte § 7 Absatz 3c StVO ist in Strophe Eins ein schönes Lied: „Sind außerhalb geschlossener Ortschaften für eine Richtung drei oder mehr Fahrstreifen mit Zeichen 340 gekennzeichnet, dürfen Kraftfahrzeuge abweichend von dem Gebot, möglichst weit rechts zu fahren, den mittleren Fahrstreifen dort durchgängig befahren, wo – auch nur hin und wieder – rechts davon ein Fahrzeug hält oder fährt.“
Ich gebe zu, dass dieses „hin und wieder“ schwieriger zu singen ist. Leider gibts da auch nur vage Hilfe seitens der professionellen Sangesbrüder:
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat 1989 in einem Urteil (Az. 2 Ss (OWi) 318/89 – (OWi) 93/89 II) besungen, dass die Regel, wonach Autofahrer zum Einscheren auf die rechte Spur verpflichtet sind, wenn sie dort 20 Sekunden mit gleichem Tempo weiterfahren können (einst vom OLG Celle aufgestellt) nur für Straßen mit zwei Spuren je Fahrtrichtung gelte. Für Straßen mit drei Spuren pro Richtung sei dagegen „die Dauer des möglichen Weiterfahrens mit gleicher Geschwindigkeit (…) erheblich größer zu bemessen„.
„Was will uns das nun sagen?“, höre ich euch im Kanon trällern…
Naja, die Richter meinen lediglich, dass man die jeweils mittlere Spur einer sechsspurigen Autobahn auch länger als 20 Sekunden belegen darf, sofern auf der rechten Spur gelegentlich ein anderes Fahrzeug fährt . Ob das jedoch 30, 40 oder 60 Sekunden sorgenfreies Mittelspurgeschleiche rechtfertigt, sagen sie nicht.
Leider gibt es zu diesem Sachverhalt auch kein weiteres obergerichtliches Lied, welches eventuell mehr Strophen enthält und uns weiter erhellen würde.
Also fühlt euch frei zu klagen, ihr angezeigten Schleicher der Nation!

Zweiradler sind rechts. Zumindest relativ…

Habichtfreak war so freundlich mich auf diesen Thread im Simsonforum hin zu weisen.

In Kurzform geht es darum, ob ein Zweiradfahrer (Mofa, Kleinkraftrad, Motorrad, etc.) auch innerhalb seiner rechten Fahrspur möglichst weit rechts fahren muss.

Dies führt nämlich häufig dazu, dass sich PKW-Fahrer genötig fühlen auch bei Gegenverkehr zu überholen und so alle Beteiligten zu gefährden.

Da der Paragraphendschungel mein täglich 2-Takt-Gemisch finanziert, will ich mal versuchen ein wenig fundierte juristische Kenntnisse zu der Diskussion bei zu tragen:

Bezüglich des Fahrens in der Mitte der (einzigen) rechten Spur ist die Gesetzeslage leider nicht eindeutig. Daher muss ich dafür ein wenig weiter ausholen:

§ 2 StVO sagt in Absatz zwei:
„Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, ….“

Das bezieht sich auf das Rechtsfahrgebot aus Absatz 1. Man muss also nicht nur (im Normalfall) immer die rechte Spur einer Straße nehmen, sondern auch auf dieser immer möglichst weit rechts fahren.

Allerdings darf dieses Gebot nicht so weit führen, dass man sich selbst in Gefahr begibt bzw. einen andere gefährden.
§ 1 Absatz zwei StVO sagt: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“

Die Leute dürfen einen Krad-Fahrer also nicht so überholen, dass er gefährdet wird (Gegenverkehr, zu geringer Seitenabstand, etc.).
Das sie das trotzdem immer wieder machen, ist natürlich jedem von uns bewusst.

Dagegen kann man aber nix machen (außer natürlich alle anzeigen…).

Scheint also auf den ersten Blick aussichtslos mit in der Mitte fahren.

Allerdings gibt § 2 Absatz zwei StVO einem mit dem Wort „möglichst“ einen sehr weiten Spielraum…
Wenn es einem nicht möglich ist, weiter rechts als in der Mitte einer Fahrbahn zu fahren, ohne dass man sich selbst (durch die Überholvorgänge anderer) gefährdet, kann einem keiner ans Zeug flicken.
Darüber hinaus hat man auch noch selbst §1 StVO auf seiner Seite. Der gilt ja auch für uns Moppedfahrer….
Dadurch, dass wir ganz rechts außen fahren, ermutigen wir den hinter uns Fahrenden zu einem (auch für ihn) gefährlichen Überholmanöver….
Das ist also auch nicht erlaubt und spricht also weiterhin für ein Fahren in der Mitte.
Normales (gesetzeskonformes) Überholen ist dem nachfolgenden Verkehr bei freier Gegenspur ja immer noch möglich (er wird also nicht von dir [mehr also von einem normalen PKW] behindert).

Es ist daher trotz § 2 StVO zulässig mit seinem Krad in der Mitte der rechten Fahrspur zu fahren! Ein Bußgeld dürfte es dafür nicht geben.

Sollten Fahrschullehrer/Ordnungshüter/andere Kraftfahrer anderer Ansicht sein, so bin ich auf ihre Argumente gespannt. Ich lasse mich da gerne überzeugen.

Was allerdings verboten ist, ist das fahren ganz links in der rechten Spur. Da kann man sich mit „möglichst“ nicht mehr raus reden. Auch ist man verpflichtet, sofern es der Verkehr zu lässt (also z.B. auf freier Strecke ohne Fahrzeuge hinter einem) ganz rechts zu fahren, um den Sicherheitsabstand zum Gegenverkehr zu maximieren.

P.S.: Das obige stellt nur meine persönliche Meinung dar und ist kein verbindlicher Rechtsrat!