“Sag Aaaaa…-Frame.” VIII

Nachdem nun alle Bauteile bereit waren fürs einpressen des Kingpins, habe ich mal wieder bei Auto Mobil Osnabrück angerufen. Ich hatte den Chef an der Strippe und habe ihm mein Problem geschildert. Er meinte dann, ich solle mal am nächsten Tag Nachmittags vorbei kommen, da hätte er selbst etwas Luft um nach dem Achsschenkel zu gucken.
Also am nächsten Tag hin und ihm die ganze Chose gezeigt und mal wieder erklärt, wie das alles zusammen gehört bzw. um was für ein Fahrzeug es sich handelt. Danach ging es wieder mit deren Riesenpresse ans Werk. Schon nach wenigen Zentimetern zeigte sich, dass auch hier die Pulverbeschichtung im Weg war. Wir mussten den Bolzen immer wieder vor und zurück pressen, um das Pulver auf der Innenseite los zu schrappen und uns so Zentimeter für Zentimeter voran arbeiten. Zwischendurch hatd er Chef die Aufnahme immer wieder mit Öl ausgespült und mit Druckluft ausgepustet. Leider haben aber sicherlich ein paar von den Bröseln ihren Weg in die nagelneuen Lager gefunden. Das ist das ärgerlichste an der ganzen Geschichte. Mal sehen, wie lange sie halten.
Nach bestimmt einer 3/4-Stunde hatten wir den Bastard endlich komplett drin. Als ich dann fragte, was ich denn schuldig wäre, meinte der Chef: „Nen Kasten Bier.“ Auch auf meine Aussage hin, dass ich ihre Hilfe gerne zum normalen Tarif bezahlen würde meinte er nur: „Nee, für solche Arbeiten ist nen Kasten Bier ein anerkanntes Zahlungsmittel.“ 10 Minuten später hatten sie eine gekühlte Kiste Bier in der Werkstatt stehen. Muss ich noch was zu dem Laden sagen? Geil, oder?!
Wieder zuhause konnte ich dann die finalen Handgriffe vor dem Einbau anlegen. Erstmal kam der neue Sicherungsstift rein:

Eigentlich ist er überflüssig, da der Kingpin durch die Pulverreste dermaßen fest sitzt, dass mir schon von dem erneuten Ausbau in ein paar Jahren graut.
Dann folgten die neuen Schmiernippel zusammen mit einer erste Ladung neuen Fettes, welche ich gleich wieder so gut es ging entfernte, um Öl- und Pulverreste rauszupressen.
Danach kamen die neuen „Abdeckmünzen“ auf die Lager:

Gefolgt von den zugehörigen Segeringen:

Um darüber hinaus noch zu verhindern, dass sich Dreck und Bremsstaub seinen Weg an den Abdeckplättchen vorbei bahnt, habe ich beide Enden noch mit Karosseriekitt verschlossen:

Hier erreicht man eine schöne Oberfläche, wenn man den Finger mit Spüli benetzt und dann drüber reibt. Es bleibt so nix am Finger kleben. Ob das schlau war, zeigt sich, wenn ich irgendwann die ganze Chose wieder ausbaue und die schmierige Scheiße dann wieder entfernen muss.
Zwischendurch habe ich dann noch den Querlenker in Kaltreiniger eingeweicht um sie später zu entrosten und mit 3-1 lackieren zu können:

Vom neuen Federbein habe ich auch ein paar dokumetarische Fotos gemacht um die spätere Ersatzteilsuche zu erleichtern:

In entspanntem Zustand ist das Federbein von Augenmitte zu Augenmitte 37,5 cm lang, belastet sind es 36 cm. Ich vermute, im Motorradbereich sollte sich da was passendes finden lassen. Verschiedene Big-Bikes müssen ja ähnliche Lasten stemmen.
Hier noch zwei Fotos von der Beschriftung auf dem Original:


Die Aufschrift besagt:
28024
Made in U.K 010672
4662 9203 -8LC 18 320
Ebenfalls in der Vorbereitungsphase habe ich das obere Rahmen-Querrohr, nach Wuschels anraten, mit der Schruppscheibe entrostet. Hier ein Zwischenschritt:

Das war nötig, da auch dieser Träger im Bombardement-Bereich des Vorderrades liegt. Leider gibt es für ihn aber keinen Schutz in Form eines Schmutzlappens. Ich hoffe, dass 4-Lagen Bratho Korux 3-1 als Steinschlagschutz ausreichen werden.
Auch der neue Bremsschlauch fand seinen Platz und die abgerissenen Bolzen der Kühlerbefestigung habe ich durch Edelstahlexemplare ersetzt:

Fertig bepinselt sah der Querträger dann so aus:

Auch die Bremstrommelrückplatte habe ich mit neuen Radbremszylindern bestückt. Die Alten waren ja fertig:

Leider musste ich dort erstmal die alten Schrauben wieder verwenden, da ich keinen Ersatz in UNF habe. Allerdings soll heute oder morgen nen 526-Teile-Sortiment in 8.8er-Güte hier eintrudeln.
An einer der A-Frame-Aufnahmen am Rahmen (die auch im Bombardement-Bereich lag) hatte ich etwas Rost entdeckt. Also auch hier entrosten/-drecken und 3-1 streichen. Dabei entdeckte ich dieses kleine Loch in der linken Aufnahme:


Ist kein Rostloch. Soviel steht schon mal fest. Allerdings dürfte da reichlich Feuchtigkeit rein krabbeln können. Zumal innen auch ein Hohlraum ist. Werde ich auch mal im Auge behalten.
Vor dem Einbau musste auch noch die alte Spurstange raus. Die Manschetten hatten anscheinend schon vor Jahren den Geist aufgegeben:

Leider hat der Rialto eine starre Stange, so dass man immer das komplette Teil ersetzen muss und nicht einfach die Köpfe tauschen kann. Ansonsten könnte man ja mal wieder wo anders wildern gehen. Ob auch die Rialto-Komplett-Stangen wo anders zum Einsatz kamen? Keine Ahnung. Hier auf jeden Fall mal ein Foto zur Dokumentation:

Die Aufschrift besagt:
Z-Rod
Sustech No: 1994557
Gem No: 32390
Adet: 1
070528 1994557 312
Leider erwieß sich aber die Öffnung des teuren Hazet-Abziehers als zu groß für die winzige Aufnahme an des Lenksarms:

Abhilfe schaffte hier mal wieder eine gesunde Portion kochschen Improvisationstalents. Eine Unterlegscheibe in passender Stärke musste etwas von ihrem Rand einbüßen:

Schon hat man ein passendes Distanzstück:

Anschließend hatte der Abzieher auch wieder leichtes Spiel mit dem Gelenk:

(Wehe jemand von euch klaut die Idee und schickt sie als Tipp an die Oldtimer Praxis! Das sind meine 20€!)
Hier mal ein Vergleichsfoto zwischen den alten A-Frame-Halteschellen sowie den neuen und den alten und neuen Gummilagern:

Nun war es Zeit für den Einbau:

Nach etwas drücken und schieben war der Stoßdämpfer in Position und konnte angeschraubt werden. Bei den unteren Lagerpunkten des A-Frames am Rahmen (mit den Schalen), musste ich erstmal etwas improvisieren. Ich hab leider keine Bolzen in ausreichender Festigkeit hier. Entweder die Bolzen sind zu klein, oder zu groß, oder sie haben keinerlei Bezeichnung, welche Festigkeit sie haben. Meint ihr, dass die bestellten 8.8er ausreichend sind? So richtig fiese Kräfte wirken dort doch nicht, oder? Die Schläge gehen auf die Verschraubung des Federbeins. Wenn ein Schlag von vorne kommt (z.B. Bordsteinkante) dann drückt der A-Frame gegen die Aufnahme und den Rahmen. Nur beim rückwärtsfahren wird die Verschraubung auf Zug belastet. Und beim lenken muss sie die Drehbewegung abfangen….So zumindest die Vorstellung in meiner ungebildeten Laiensphäre…
Auch das Halteblech des Bremsschlauchs am Querlenker musste ich ein wenig bearbeiten. Es hatte nach meinen ersten dilletantischen Ausbauversuchen eher Ähnlichkeit mit einem Korkenzieher als mit einem Halteblech. In einem ersten Schritt habe ich es mit dem Schraubstock wieder grob in Form gebracht. Allerdings fehlte noch die Biegung, damit es bündig auf dem Lenker aufliegt:

Die habe ich ganz schmerzfrei mit zwei stramm angezogenen Bolzen nachgebogen:

Danach folgte auch das übliche Programm: Entrosten mit dem Negerkeks und dann 3-1 pinseln.

Damit war der A-Frame fertig für den Einbau der Radnabe und der Verbindung zur Lenkung. Den Schritt gibts dann vielleicht morgen.

3 Gedanken zu „“Sag Aaaaa…-Frame.” VIII“

  1. Hier mal ein wenig Basiswissen zum Thema Lastzustände an Verschraubungen:

    Eine Schraube wird immer und ausschließlich auf Zug belastet.

    Warum? Die Schraube verbindet zwei Bauteile, indem sie sie gegeneinander presst. Man kann sich die Schraube dabei wie eine sehr harte Feder vorstellten. Alle Kräfte, die quer zur Schraubenrichtung angreifen, werden nicht über die Schraube übertragen, die dabei auf Scherung belastet werden würde, sondern als Reibkraft (Haftreibung) am Spalt. Je fester man die Schraube anzieht, desto mehr Anpressdruck ist vorhanden, desto größter ist die Haftreibung, desto mehr Querkraft kann übertragen werden.
    Tritt eine Belastung längs der Schraubenachse auf (also Zug/Druck) so wird eine Zuglast auf die ohnehin zugbelastete Schraube obendrauf gerechnet, eine Drucklast entsprechend abgezogen.
    Welche Festigkeitsklasse eine Schraube haben muss, richtet sich also folglich nach genau einem Kriterium: Dem Anzugsmoment. Je nachdem, wie die Schraubverbindung belastet wird, berechnet der Konstrukteur die erforderliche Klemmkraft. Danach wird dann die Schraubengröße ausgewählt und schlussendlich ausgerechnet, mit wieviel Drehmoment sie angezogen werden muss. Stellt sich dabei heraus, dass die Spannkraft der Schraube größer als die Zugfestigkeit der Schraube ist, wird eine höhere Festigkeitsklasse ausgewählt. 8.8 ist Standard, etwas anderes nimmt man nur, wenn beim besten Willen kein Platz für dickere Schrauben vorhanden ist.

    Alles klar?

  2. WOW!
    Danke für diese lange Ausführung! Wieder was gelernt.
    Ok, ich erinnere mich jetzt natürlich nicht mehr genau an das Drehmoment, mit dem die Schrauben angezogen werden sollten, aber es war nicht bemerkenswert viel. Ich meine irgendwas bei 50-60Nm.
    Da soll „Grade 5“ wohl ausreichen.
    Danke nochmal!

  3. Gerne!

    Nachtrag: Ich hab noch was vergessen:
    Bekommt eine Schraube hohe wechselnde Zuglast ab (kann bei Fahrwerksteilen je nach Anordnung der Schraube der Fall sein) hat sie vorsichtshalber auch immer mindestens 10.9, eher 12.9.
    Meist greifen die Kräfte jedoch quer zur Schraube an, dann gilt mein Geschreibsel da oben uneingeschränkt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert