Heulsusen II

Wie schon geschrieben sind mir zwei IMI AL 1578 Sirenen zugelaufen. Nummer eins war auch schnell wieder betriebsbereit.
Seine hässliche Schwester hingegen brauchte deutlich mehr Liebe:

Hier machte der von Hand gedrehte Rotor schon deutlich mahlende Geräusche und ließ sich auch nur mit Widerstand drehen.
Lager fritte.
Also komplett zerlegen. Gut das Tobias passend angereist war, um mir beim Genesungswerk zu helfen. So konnten wir abends noch eine schöne Schrauberrunde einlegen.
Zum Glück bin ich auch nicht der Erste, der sowas zerlegt.
Der Alu-Rotor ist oben auf der Welle mit einem kleinen Ring gesichert:

Der muss zuerst ab.
Anschließend lässt er sich mittels zweier Bolzen von der Welle abziehen:

Die nötigen Gewindebohrungen hat der Rotor schon ab Werk. Ich empfehle aber vorher eine Reinigung mittels Gewindeschneider.
Um unschöne Druckstellen im Alugehäuse zu vermeiden, empfehle ich durch die seitlichen Öffnungen Unterlegscheiben unter den Rotor zu bugsieren:

Darauf können sich die Bolzen dann abstützen.
Als nächstes müsst ihr das Wachs aus den Bohrungen unter dem Rotor puhlen:

Leider lassen sich die Muttern in den Vertiefungen nur äußerst beschissen lösen.
Uns blieb nichts anderes übrig, als sie mit einem kleinen Schraubendreher seitlich los zu klopfen:

Anschließend muss noch der Halbmond aus der Welle. Da hat sich ein zupacken mittels Gripzange und dann seitliches klopfen gegen die Zange als zielführend herausgestellt:

Den oberen Gehäuseteil muss man nun vorsichtig mit einem Hölzchen rings um abklopfen, damit er sich vom unteren Teil löst.
Dabei seid aber nicht so dumm wie wir und entfernt vorher die Kohlen! Das geht ganz leicht über die großen seitlichen Schraubkappen unten am Gehäuse.
Macht man das nicht, liegen sie nachher abgebrochen unten im Gehäuse:

Alles schön rostig. Auch der Läufer:

Der lässt sich samt Lager leicht aus dem oberen Gehäusedeckel klopfen.
Die Lager gehen anschließend mit dem Abzieher runter:

Nun geht es an’s Neuteile ordern.
Als Lager kommen schnöde 608 Rillenkugellager (22 x 8 x 7 mm) zum Einsatz.
Statt der im Original offenen Variante, habe ich zu geschlossenen 608-2RSH von skf gegriffen. Der Mehrpreis ist lächerlich, die höhere Lebensdauer aber signifikant.
Solltet ihr auch neue Kohlen benötigen, so braucht ihr Kohlebürsten in den Maßen 6 x 5 x 17mm mit Feder, innenliegendem Kabel und Bügel. Die Kabel-/Federlänge ist ca. 27mm. Ich habe welche in diesem (sehr guten) Shop bekommen.
Beim reinigen des Gehäuses bin ich noch auf diese Gussmarke gestoßen:

„053-22“ ist bestimmt das 50-jährige Serviceinterval (53. KW 2022) . Da war ich ja sogar noch etwas vorfristig…
Dem Gehäuse selbst bin ich mit einer Messingbürste zuleibe gerückt:

Dem rostigen Rotor mit feinem Schleifpapier:

Sind alle Teile eingetrudelt, geht es wieder an den Zusammenbau:

Die Unterlegscheiben, welche früher hinter den offenen Lagern saßen und deren Fettfüllung mehr schlecht als recht an Ort und Stelle halten sollten, haben eine eingeprägte Stufe:

Der engere innere Kreis zeigt immer Richtung Lager.
Um die Lager in ihren Sitz zu klopfen empfiehlt sich eine 15er-Nuss:

Um die runden Muttern wieder auf den Stehbolzen zu montieren haben wir aus einer abgekniffenen Unterlegscheibe ein Werkzeug gebastelt:

Auf einen erneuten Verschluss mit Wachs (Regenschutz) habe ich verzichtet. Die Sirene muss nicht mehr im Freien laufen.
Die Kohlen einzusetzen ist der klassische Kampf mit dem Schachtelteufel:

Die Dinger da rein zu fummeln und unter Federspannung die Kappen wieder zu montieren ist eine echte Herausforderung.
Bevor ihr den Rotor wieder aufsetzt, macht einen Probelauf. So könnt ihr auch ohne Heulton sehen, ob wieder alles problemlos läuft.
Denkt an den Halbmond auf der Welle. Um den Rotor auf die Welle zu bekommen, habe ich ihn mit dem Bunsenbrenner erhitzt. So war nur leichtes klopfen nötig, bis er wieder unterhalb der Nut des Sicherungsrings saß:

Danach wieder den Ring und Deckel montieren und fertig ist die überholte IMI:

13 Gedanken zu „Heulsusen II“

  1. Immer wieder schön zu sehen, wie man DDR Produkte zerlegen und überholen kann.
    Für die Muttern kannst du sonst auch einen passenden Schlitzschraubendreher opfern, der vorne mittig längs mit der Trennscheibe eine Aussparung verpasst bekommt.

    1. Moin Christian,
      ja stimmt. Leider hatte ich in meiner „Restewerkzeug“-Schublade keinen, der breit genug war. Auch mein Sortiment an „Sonderbits“ hatte auch nur zu schmal geschlitzte Bits.

  2. Hallo, vielen Dank für den tollen und vor allem detaillierten Beitrag. Ohne Ihren ausführlichen Beschreibungen hätte ich nie Kohlebürsten für die Sirene finden können.

    Ich bin ebenfalls stolzer Besitzer einer IMI AL 1578 und würde sie gerne so weit es geht restaurieren. Leider löst sich bei meinem Exemplar der Läufer aus dem Motorgehäuse nicht. Deshalb meine Frage, wie haben Sie bei Ihrer Sirene den Läufer entfernen können?

    1. Hallo Willi,
      schön, dass ich helfen konnte!
      Der Läufer kam bei mir mitsamt dem oberen Gehäuseteil raus. Danach ließ er sich samt Lager auch aus diesem raus klopfen.

      Viele Grüße
      Adrian

      1. Hallo Adrian,
        vielen Dank für die schnelle Antwort.

        Leider ist es bei mir genau umgekehrt. Der Läufer kam nicht mitsamt dem oberen Gehäuseteil raus, sondern sitz fest im unteren Teil der Sirene. Der Stator ließ sich ohne Probleme frei klopfen.
        Haben Sie vielleicht einen Ideenansatz, was ich da noch versuchen könnte, oder habe ich da schlechte Karten?

        Mit freundlichen Grüßen Willi.

        1. Hmm, das ist ja wirklich blöd.
          Wenn das obere Lager noch am Läufer ist, könnten Sie versuchen, daran irgendwie zu ziehen. Das sollte ja eh ersetzt werden, so dass man da auch etwas gröber ran gehen könnte. Vielleicht mittels Geleithammer und Greifklauen?
          Sollten Sie daran scheitern, würde ich die Sirene gerne als Ersatzteilspender für meine Exemplare nehmen, eh Sie sie in den Müll schmeißen.
          Herzliche Grüße
          Adrian Koch

          1. Denselben Gedankengang hatte ich auch,
            allerdings hat es nicht geklappt und das Lager gab als Erstes nach. Der Läufer hat sich jedoch keinen Zentimeter bewegt.
            Leider muss ich Sie an dieser Stelle enttäuschen.
            Ich werde die Sirene definitiv nicht entsorgen, aber hergeben möchte ich sie auch nicht. Ich bitte daher um Verständnis. Letztendlich habe ich mich dazu entschlossen, die Sirene noch fertig zu lackieren und dann lasse ich sie so, wie sie ist. Trotz altersbedingten Mängeln funktioniert sie noch relativ gut.
            Ich bedanke mich auf jeden Fall, dass Sie sich die Zeit genommen haben mir zu helfen.
            Mit freundlichen Grüßen Willi.

    1. Hallo Daniel,
      hmm, so aus der Ferne ist das natürlich schwer zu beurteilen. Ich würde mit einem Multimeter Abschnittsweise testen, ob irgendwo eine Unterbrechung ist.
      Vielleicht ist es nur ein loser Kontakt im Anschlusskasten, vielleicht sitzen die Kohlen nicht richtig, vielleicht ist aber auch beim Ausbau die Wicklung beschädigt worden.

      1. Gibt es eine Möglichkeit dich anders zu kontaktieren für Bilder Austausch oder Telefonisch ?
        Wäre um jede Hilfe dankbar möchte die kleine nicht rum stehen lassen.

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