Archiv der Kategorie: Tobias Fuhrpark

Zylinder 4 hat Gicht

Mein Bruder kam am Wochenende mit Kummer nach Hause. Der alte Volvo (Volvo 740 GL) lief nur noch auf zwei bzw. drei Töpfen. Kalt gings noch, aber sobald er warm wurde, machte er kaum 200 U/min bzw. war kaum am laufen zu halten.
Da ich gestern etwas Zeit hatte, habe ich mich der Sache mal angenommen.
Nicht laufender Motor können grundsätzlich, eigentlich und sowieso nur zwei Dinge sein:

  1. Kraftstoffversorgung
  2. Zündung

Da unser 740 eine der seltenen Vergaserausführungen (B230K mit Pierburg 2B5) ist, wollte ich mich erstmal der Zündung zuwenden, eh ich in das Gewirr von Schläuchen des Vergasermonstrums eintauche:
Volvo 740 Zündanlage
Erstmal grober Check:
Die Zündkabel selbst waren es nicht. Die hatte Tobias schon gechecked und sie sahen gut aus. Im dunkeln gab’s auch keinen Funkenregen.
Also mal das Kabel Zündspule-Verteiler begucken. Ahauaha…das sieht fies aus. Links besagtes Kabel, rechts normales Kabel Verteiler-Zündkerze:
Volvo 740 Zündanlage Zündkabel
Fieser Grünspan und Korrosion. Im Anschluss an der Zündspule fand sich ebenfalls Korrosion und auch Wassertropfen:
Volvo 740 Zündanlage Zündspule
Ok, da kann man was dran machen. Schön alles abwischen, reinigen, Kontaktspray nutzen.
Weil ich schon dabei war, habe ich auch mal die Verteilerkappe abgenommen. Ist ein bisschen Fummelarbeit, da die Kappe an der Rückseite des Motors, direkt an der Feuerwand sitzt. Allerdings easy im Vergleich zu einigen Arbeiten an Sir Edwards Motor.
Auch die Verteilerkappe war ein Trauerspiel. Am Anschluss der Zündspule wieder Korrosion:
Volvo 740 Zündanlage Verteilerkappe
Riss im Gehäuse, siffig und die Kontakte in der Kappe sahen aus wie das Gesicht eines pubertierenden Teenagers:
Volvo 740 Zündanlage Verteilerkappe
Die Kontakte waren so verbrannt, dass ich zum Dremel mit Kupferbürstenaufsatz greifen musste. Auf diesem Bild sieht man ganz gut, wie abgefressen sie schon sind. Teilweise steht kaum noch die Hälfte:
Volvo 740 Zündanlage Verteilerkappe
Der Verteilerfinger hat ebenfalls die beste Zeit hinter sich:
Volvo 740 Zündanlage Verteilerfinger
Nach eingehender Reinigung hab ich alles wieder zusammengebaut und ihn mal testweise laufen lassen. Ergebnis:
Der Alte läuft wieder auf allen Töpfen. Kalt bei ca. 1000 U/min, warm bei ca. 600 U/min und alles schön stabil.
Natürlich haben wir gleich heute eine Großbestellung bei Skandix aufgegeben:
u.A.:
Halter, Zündkabel Ventildeckel
Zündverteilerläufer
Zündkabelsatz
Dichtring, Verteiler Satz
Zündverteilerkappe
Eben rief Skandix an und teilte uns mit, dass unsere Bestellung heute noch raus geht. Am Wochenende gibt’s also Neuteile für den Alten. Hat er sich auch redlich verdient. Normaler Wechselintervall für Verteilerkappen ist nach meiner Info ca. 120.000 km.
Unser Alter mit seinen über 360.000 Km hat sicherlich noch den ersten Verteiler…

Der Nächste bitte!

Nachdem Sir Edward ja die Garage verlassen hatte, hat Tobias gleich die Chance genutzt, um seinen AMC Pacer zu uns nach hause zu bringen:


Auf dem Programm stehen für ihn die Bremsen, der Antrieb des Tachos sowie einige normale Wartungsaufgaben.
Beim Tacho fehlt ein kleines Ritzel. Leider ist es schaltwagenspezifisch und die sind bei den Amis ja sehr rar.
Die Bremsen, geben uns ebenfalls einiges an Rätseln auf.
Das Problem ist, dass das vordere linke Rad bei moderater Pedalbetätigung blockiert, während das Rechte keine/kaum Bremsleistung zeigt. Erste Vermutung war natürlich ein zugequollener Bremsschlauch. Allerdings kommt da bei Pedalbetätigung ein guter Schwall Bremsflüssigkeit raus. Dicht ist er also nicht. Nächste Vermutung war ein festsitzender Radbremszylinder. Dieser bewegt sich aber schön gleichmäßig und ohne zu stocken rein und raus. Auch die Bremsbeläge hat Tobias schon getauscht. Ohne Erfolg. Nun ist Kopf kratzen angesagt.

Wechselintervalle

Da Sir Edward ja die Garage mit der Grube verlassen hatte, konnten wir uns endlich der anstehenden Wartungsaufgaben an unseren anderen Fahrzeugen widmen. Unter anderem wollte Tobias gerne, dass der alte Volvo (unser 740 GL) mal neues Automatik-Öl bekommt und bei der Gelegenheit auch der Filter und die Magneten in der Ölwanne getauscht/gereinigt werden. Er fand das sei nach über 350.000 km mit wahrscheinlich noch dem ersten Öl notwendig. Das Öl selbst zu tauschen ist nicht so schwierig. Die Getriebeölwanne hat dafür eine komfortable Ablassschraube:

Um allerdings an den Filter und die Magneten zu kommen, muss die Ölwanne ab. Damit selbige aber ab kann, muss man das Rohr für den Füllstandsanzeiger an der Seite abschrauben:

Das Rohr selbst ist mit den zwei Schrauben des Anlassers im Motorraum zusätzlich befestigt. Um dort keine Scherereien zu haben, entschlossen wir uns, das Rohr direkt unten an der Wanne abzuschrauben. Vertane Liebesmüh, wie wir nach Stunden feststellen mussten. Aber dazu später mehr.

Sollte man das Rohr direkt an der Wanne abschrauben wollen, sollte man mit viel Bedacht vorgehen!

Die große „Mutter“ zwischen Rohr und Wanne ist nämlich garkeine Mutter, sondern Teil der Wanne! Versucht man das Rohr an ihr abzuschrauben, reißt man mit relativ wenig Pech den ganzen Flansch ab und kann eine neue Wanne besorgen! Dreht man alleine an der kleineren Mutter, kann es passieren, dass diese so fest sitzt, dass man den Flansch der Wanne verdreht und dessen schweißnähte Risse bekommen. Resultat: Neue Ölwanne…

Also Obacht!

Es wird empfohlen die große „Mutter“ gegen ein Verdrehen zu sichern. Leider hat sie irgendwas bei Schlüsselgröße 32, welchen wir natürlich nicht in der Werkstatt haben. Die von mir so geliebte Knipex-Schraubzange konnten wir auch nicht einsetzen, weil nicht genug Platz war um sie anständig festzuhalten bzw. zu verkeilen. Unsere lösung war dann diese Konstruktion:

Das Rohr stützt sich über das Hölzchen an der Getriebetraverse ab, wenn die große „Mutter“ links rum will.

Nach einigen ergebnislosen Versuchen die kleine Mutter dann mittels Schlüssel oder Verlängerung zu lösen griffen wir zum nächst größeren Kaliber:

Als Schlüssel verwendeten wir einen 15/16-Zoll-Schlüssel. Dieser passte absolut bündig auf die kleine Mutter. Der entsprechende DIN-Schlüssel wieß uns zu viel Spiel auf.

Hier nochmal aus anderer Perspektive:

Da wir aber nun zu wenig Hubraum für den Schlüssel auf dem Wagenheber hatten, musste der Volvo „höher“. Wozu hat man sonst ein breites Sortiment an Wagenhebern?:

War schon eine arge Schräglage, die der Volvo erreichen musste, bis alles passte:

Als dann alles in Position war, ging es ans „drehen“ des Schlüssels. Das Ergebnis war, dass der Volvo über den Schlüssel sich vom großen hydraulischen Wagenheber heben wollte!! Als dann auch noch die kleine Mutter erste Spuren des Runddrehens aufwies, war für uns der Zeitpunkt gekommen, die Aktion abzublasen und doch den Anlasser abzubauen, um die Wanne samt Messrohr abzunehmen.

Das war zwar auch eine fiese Fummelarbeit und die Schrauben wehrten sich nach Kräften, aber es ging nach weiteren zwei Stunden.

Als wir dann endlich die Wanne in den Händen hielten, staunten wir nicht schlecht, als wir nur noch einen Magneten vorfanden:

Keine Ahnung, was mit dem Anderen passiert ist. Muss er gefressen haben.

Der Zusammenbau war dann wieder relativ easy. Beim nachfolgenden spülen des Automaten half uns noch eine Gartenschlauchkonstruktion, von der ich irgendwie vergessen habe Fotos zu machen. Leider unterlief uns dabei aber wohl ein Rechenfehler, so dass wir beim finalen Befüllen nachts um 3 zu wenig neues ATF übrig hatten… Klarer Fall von: Schön gedacht, schlecht gemacht.

Nachschub ist aber schon lange bestellt und dürfte auch schon geliefert und eingefüllt sein.

Wir hielten uns bei dieser Aktion ziemlich genau an eine sehr gute englische Anleitung, die Tobias ausgegraben hatte und deren Link er hier sicherlich in die Kommentare packen wird, sobald er den Artikel ließt. Ich finde sie nämlich nicht mehr…

Operation Bohemian Rhapsody

Nachdem Tobias die Pressesperre über die Ereignisse des letzten Wochenendes aufgehoben hat, kann auch ich über das neuste Mitglied unserer Familie berichten: Seinen 1979er AMC Pacer.

Den Kauf hatte er schon vor einiger Zeit perfekt gemacht, nachdem wir den Wagen auf dem Rückweg von unserem enttäuschenden Besuch bei RD Classics in Mühlheim besichtigt haben. Was halt noch anstand, war die Abholung des Fahrzeuges. Wir wollten ihn, trotz des monatelangen Winterschlafs, gerne auf eigener Achse überführen (schon weil es schwer ist, einen Anhänger zu fidnen, der breit genug ist), aber dafür musste ja schönes Wetter sein. Selbiges war für Sonntag prognostiziert und traf auch ein. Die Straßen waren trocken und die Sonne lukte ab und zu mal hinter den Wolken hervor. Wir hatten vorher mit dem Verkäufer telefoniert und er hatte die versprochenen Arbeiten erledigt. Der Überführung stand also nichts im Wege.
Leider hatte der Verkäufer es nicht mehr geschafft, den Staub der letzten Monate vom Auto zu waschen. Daher strahlt der Lack auf den Fotos nicht so, wie er es normalerweise sicherlich tun würde und das Gold erscheint etwas matt.
Erste Aufgabe vor Ort war die Montage der Überführungskennzeichen:
Pacer Überführung 010

Wir hatten zwar eine ganze Kiste mit Werkzeug zur Montage (und für den Notfall) gepackt, aber außer etwas Schaumstoff zur Polsterung gegen die Stoßstange und etwas Panzertape haben wir nix gebraucht.
Nachdem dies und der Papierkrams erledigt waren, bestiegen Tobias, meine Freundin und meine Wenigkeit den Boliden um die nächste Tanke zwecks volltanken und Luft-check anzusteuern. Die erste Fahrt konnte los gehen:
Pacer Überführung 019

Pacer Überführung 018
Ich gebe ehrlich zu, dass ich sehr erstaunt über den Fahrkomfort war. Der Pacer bügelt Schlaglöcher und Gullideckel besser aus als so mancher moderne Wagen! Und wenn man keine Probleme mit Seekrankheit hat, dann macht es einem auch nix aus, dass er nach jeder Bodenwelle ein wenig nachschaukelt und die ultra-weichen Sitze nachfedern. Ich fand es sehr spaßig! Das Interieur ist übrigens ein Traum in beige und braun:
AMC Pacer 7

AMC Pacer 2
Das Wurzelholzimitat des Armaturenbretts tut sein Übriges zur Wohnzimmeratmosphäre:
Pacer Überführung 040
Willkommen in den 70ern!
Auf dem Bild oben erkennt ihr auch das geile ORIGINAL-Radio mit integriertem CB-Funk! Mal sehen, welches Call-sign sich Tobias zulegt. Vielleicht „Commander„?
Unterwegs machten wir noch technischen Halt um sicher zu gehen, ob es dem Pacer auch gut geht, nach der langen Standzeit. Ker, um an den Ölmessstab des Reihen-6-Zylinders zu kommen, muss man Proktologenfinger haben…
Nach dem technischen Halt, wechselten meine Freundin und ich in den neuen Volvo und Vaddern durfte mal im Pacer mitfahren. Dabei sahen wir den Wagen zum ersten mal dauerhaft von hinten und haben uns köstlich über den Anblick amüsiert:
Pacer Überführung 044 Ausschnitt
Besonders im Vergleich zu modernen Autos wirkt der Pacer irgendwie erfrischend unproportional. Meine Freundin meinte, er sieht von hinten aus wie ein Ufo. Man erwartet, dass er auch nach vorne einfach rund weitergehen würde. Natürlich erntet man mit so einem Wagen ähnlich verwunderte Blicke wie mit Lola. Allerdings sind sie nicht so sehr von Fassungslosigkeit geprägt 😉
Als wir uns dem Ziel näherten steuerte Tobias einen Diner an und lud uns alle auf einen stilechten Burger ein. Vielen Dank dafür!
Pacer Überführung 051
Auf dem Parkplatz vor dem Diner traf der Pacer dann auf ein Konkurrenzprodukt aus dem Hause GM:
Pacer Überführung 047
Nach dem opulenten Mahl nahmen wir die letzten paar Kilometer zur Garage unter die Räder. Dort fand der Pacer ein warmes und geschütztes Plätzchen neben dem alten Volvo, um nach der langen Fahrt zu verschnaufen:
Pacer Überführung 006
Macht sich gut der „Kleine“.
Pacer Überführung 008
Willkommen in der Familie!

Ich hoffe, dass Tobias es vielleicht doch schafft (wie er es sich eigentlich vorgenommen hat), den Wagen bis zur Hochzeit unseres Cousins in zwei Monaten, mit einem H-Kennzeichen auszustatten und auf die Straße zu bringen. Die Reise wäre sicherlich ein riesen Spaß!
Bis dahin haben wir auch einen FM-Transmitter für „a little Bohemian Rhapsody“ besorgt.