Wie berichtet hatte die Gorilla ein sehr unangenehmes Spiel im Lenkkopflager entwickelt.
Nachdem Wuschel und Gonzo in den Kommentaren meinten, dass es eventuell auch mit nachziehen der Wellenmutter getan ist, habe ich mich ans Werk begeben.
Um an die Wellenmutter der Gorilla zu gelangen, muss einiges demontiert werden:
Über der Wellenmutter sitzt die Gabelbrücke, über der Gabelbrücke sitzt eine Hutmutter, um die Hutmutter zu demontieren muss der Lenker runter und um den Lenker zu demontieren muss der vordere Gepäckträger ab…
Als ich den Lenker demontierte und unterschiedliche Schrauben in der Hand hielt, beschlich mich zum ersten mal das ungute Gefühl, dass ich nicht der erste war, der dort einen Schraubenschlüssel ansetzt.
Bei der Gorilla ist das IMMER ein ungutes Zeichen, wie der geneigte Leser weiß.
Die Steuerkopfmutter auf der Gabelbrücke hat Schlüsselweite 29. Da ich solch eine krumme Riesennuss nicht besitze, musste die Knipex Schraubzange “Raptor” zum Einsatz kommen:
Damit ließ sich die mit 80 Nm anzuziehende, verchromte Mutter vergleichsweise leicht und beschädigungsfrei lösen.
Nach der Demontage der Gabelbrücke war endlich der Weg zur Wellenmutter frei:
Bevor ich sie jedoch einfach etwas nachziehe, wollte ich erstmal einen Blick in das Lager werfen.
Nach den unterschiedlichen Schrauben bei der Lenkerbefestigung schwante mir nichts gutes und ich wurde mal wieder nicht enttäuscht:
Das waren alle Lagerkugeln. Da sollen eigentlich 21 Stück drin sein. 11 hatten wohl gerade Urlaub.
Ok, also mit nachziehen ist’s also nicht getan.
Schauen wir doch mal, wie viele Kugel heute im unteren Lager zum Dienst erschienen sind und ziehen die Gabel aus dem Lenkrohr:
Wer hätte anderes erwartet?
Ok, ich gebe zu: 5 der unteren Kugel waren nicht durch das harzige Dreckfett verklebt und purzelten beim Ausbau auf das darunter ausgebreitete Handtuch.
Damit fanden sich auch unten exakt 10 Kugeln.
In beruflicher Boshaftigkeit unterstelle ich mal, dass der frühere „Mechaniker“ da auch schon mal dran war, ihm die Kugel durch die Werkstatt gepurzelt sind und er anschließend das Lager mit den verbliebenen wieder zusammen gesetzt hat. *Grmpfl*
Da putzen bekanntermaßen meditative Eigenschaften hat, habe ich die Lagerringe mal vom Dreck der Jahrzehnte befreit:
Sieht auf den ersten Blick ok aus. Unten genauso:
Bei sehr genauer Betrachtung konnte man jedoch kleine Abdrücke im Lagerring erkennen, wo die Kugeln normalerweise immer saßen.
Fühlen konnte man zwar nix, aber trotzdem verspürte ich wenig Lust die Ringe weiter zu verwenden.
Fürs Protokoll sei erwähnt, dass man die Lagerkugeln auch einzeln bei Honda kaufen kann. Das macht dann je Kugel 50¢
Der lokale Fahrradlader verkauft hingegen 144 identische Kugeln (3/16″ = 4,76 mm)für 3,65€…
Für mich stand der Entschluss auf ein modernes Kegelrollenlager in X-Anordnung umzurüsten.
Die Umrüstkits gibt es fix und fertig z.B. bei Tante Luise.
Die Dinger sind einfacher zu montieren(siehe rauspurzelnde Kugeln), verschleißärmer, erfordern weniger Wartung und bringen ein stabileres Fahrverhalten.
Allerdings muss dafür der Lagerring vom Lenkrohr der Gabel runter.
Also habe ich die Gabel weiter von Anbauteilen befreit:
Den Lagerring von der Gabel zu bekommen ist ein episches Gewürge.
Laut Werkstatthandbuch soll man dazu mit einem Meißel im 90°-Winkel unter den Ring schlagen, damit sich dieser zwischen untere Gabelbrücke und Ring schiebt. Anschließend soll man mit zwei dicken Schraubenziehern den Ring runter hebeln. Filigran ist anders!
Darum hab ich auch gar nicht erst mit wullachen angefangen und die Gabel direkt zu Steinbach Motorradhaus gebracht.
Eine Woche und 15 € später war der alte Ring runter und das neue untere Lager drauf. Das war es mir auf jeden Fall wert.
In der Zwischenzeit habe ich mich um die Lagersitze im Lenkkopf gekümmert.
Die alten ließen sich gut mit einem langen Schraubenzieher rausklopfen.
Die neuen zitterten derweil in der Tiefkühltruhe. Oben reichte ein Stück Holz als Dämpfer zum Hammer und schön gleichmäßige Schläge rings um:
Wie man auf dem Bild sieht, steht die Lagerschale minimal über. Sie geht jedoch nicht tiefer rein, da sie innen an die Fräßkante des Lagersitzes stößt.
Unten sitzt die Lagerschale tiefer im Lenkkopf, so dass man zu einer passenden Nuss greifen sollte:
Als die Gabel wieder aus der Werkstatt zurück war, habe ich die Lager ausgiebig mit Fett gefüllt und alles wieder zusammen geworfen:
Da die Rollenlager etwas höher bauen, musste ich auf die Stoßdämpfer Unterlegscheiben legen, damit die obere Gabelbrücke sich nicht krum zieht:
Danach noch die Wellenmutter anziehen (fest, -1/8-Umdrehung).
Es darf kein vertikales Spiel fühlbar sein und die Gabel muss sich noch unbehindert seitlich drehen lassen.
Anschließend alles wieder zurück zusammen werfen und nach 200 km nochmals prüfen, ob sich das Lager weiter gesetzt hat und nun wieder Vertikalspiel vorhanden ist.
Es ist bemerkenswert, wie stabil die Gorilla jetzt wieder läuft. Man kann sogar ohne Todesangst eine Hand vom Lenker nehmen…